Die Erklärung liegt – wie so oft an der Börse – im Zusammenspiel aus Erwartungen, Geldpolitik und globaler Risikowahrnehmung. Erfahre, welche Faktoren den DAX derzeit nach oben treiben, warum die reale Wirtschaft davon abgekoppelt scheint und ob das alles so nachhaltig ist, wie es wirkt.

Der DAX klettert auf neue Höhen

Am 4. Juni 2025 durchbrach der deutsche Leitindex DAX erstmals die Marke von 24.300 Punkten. Das ist ein neues Allzeithoch – und das trotz durchwachsener Konjunkturprognosen. Seit Jahresbeginn legte der Index um über 22 % zu. Große Gewinner waren zuletzt etwa Siemens, SAP, Allianz und die Deutsche Telekom.

Die Anleger:innen scheinen sich von schlechten Wirtschaftsnachrichten nicht beirren zu lassen. Dabei zeigen aktuelle Daten des ifo-Instituts, dass das Wachstum der deutschen Wirtschaft 2025 voraussichtlich nur bei mageren 0,2 % liegen wird – kaum ein Fortschritt im Vergleich zum Vorjahr. Deutschland kämpft weiter mit Exportproblemen, hoher Bürokratiebelastung und schwachen Investitionen im Inland. Warum also dieser Börsenoptimismus?

Die Zinsen machen den Unterschied

Ein zentraler Treiber ist die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank. Nach langem Zögern hat die EZB Anfang Juni 2025 den Leitzins erstmals seit dem Zinsanhebungszyklus wieder gesenkt. Damit wurde ein deutliches Signal gesendet: Die Phase restriktiver Geldpolitik scheint vorbei, die Zeiten günstigerer Finanzierungen sind zurück.

Für Unternehmen bedeutet das: Kredite werden wieder billiger, Investitionen attraktiver. Für Investor:innen bedeutet das: Renditen auf sichere Anlagen wie Staatsanleihen sinken – und Aktien werden damit wieder konkurrenzfähiger. Wer sein Geld also „arbeiten lassen“ will, greift zunehmend zu Aktien – was den DAX weiter nach oben treibt. Und auch die Aussicht auf weitere Zinssenkungen in den kommenden Monaten schürt die Erwartungen. An den Finanzmärkten wird bereits darauf spekuliert, dass die EZB damit nicht alleine bleibt: Ebenso könnte die US-Notenbank Fed nachziehen, wenn sich das konjunkturelle Umfeld weiter abschwächt.

Milliardenpakete für die Wirtschaft

Ein zweiter Schub für den DAX-Aufschwung kommt aus der Politik. Die Bundesregierung hat im Frühjahr 2025 ein neues Wachstumschancengesetz beschlossen, das Unternehmen mit Steuererleichterungen in Höhe von rund 46 Milliarden Euro entlasten soll. Besonders profitieren davon große Unternehmen – und viele davon sind im DAX vertreten.

Ziel der Maßnahmen ist es, Investitionen in Deutschland wieder attraktiver zu machen und die Wirtschaft auf Kurs zu bringen. Für die Börse zählt dabei aber weniger die tatsächliche Wirkung – sondern die Erwartung, dass sich etwas bewegt. „Die Märkte handeln die Zukunft“, heißt es gerne. Und genau das scheint derzeit zu passieren.

Kapitalflucht aus den USA – Europa profitiert

Noch ein Grund für den Boom am deutschen Aktienmarkt liegt gar nicht in Deutschland selbst – sondern in den USA. Dort herrscht nach wie vor politische Unsicherheit: Anstehende Präsidentschaftswahlen, Streit um Schuldenobergrenzen und ein unklarer geldpolitischer Kurs verunsichern viele Investor:innen.

Hinzu kommt: Die Bewertung vieler US-Aktien ist im internationalen Vergleich hoch, besonders im Tech-Sektor. Anleger:innen suchen deshalb nach Alternativen. Und die finden sie – mit Blick auf Stabilität, Industriekompetenz und politische Berechenbarkeit – zunehmend in Europa. Der DAX als hochliquider, exportorientierter Index mit globalen Marken profitiert davon direkt.

Ist das noch gesund?

Bei aller Euphorie mehren sich jedoch auch die warnenden Stimmen. Denn nicht wenige Expert:innen sehen im aktuellen Kursniveau eine Überhitzung. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) vieler DAX-Werte ist deutlich gestiegen – ein Zeichen dafür, dass hohe Erwartungen bereits eingepreist sind. Kommt es nicht zu den erwarteten Zinssenkungen oder wenn geopolitische Risiken weiter eskalieren, könnte es schnell wieder abwärts gehen.

Auch die Tatsache, dass sich der DAX zunehmend von der realwirtschaftlichen Entwicklung abkoppelt, birgt Risiken. Sollte sich die Konjunktur weiter eintrüben, könnten selbst starke Konzerne unter Druck geraten – was sich dann auch in den Kursen niederschlägt.

Fazit: Zwischen Euphorie und Realität

Der DAX zeigt derzeit eine beeindruckende Dynamik – doch die Euphorie an den Börsen steht auf einem wackeligen Fundament. Zinshoffnungen, Steuerpakete und internationale Kapitalströme befeuern den Index, während die wirtschaftliche Realität in Deutschland alles andere als rosig ist.

Für dich als Anleger:in heißt das vor allem eines: Vorsicht ist geboten. Wer jetzt einsteigt, sollte genau hinschauen, welche Unternehmen nachhaltig profitabel sind – und welche lediglich von kurzfristiger Stimmung profitieren. Eine breite Streuung, eine gute Beratung und ein kühler Kopf bleiben auch in Boomphasen unerlässlich.

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